Ist ein Vertriebsbüro eine Betriebsstätte?

Mit der Frage, ob eine deutsche Versicherung mit ihrem österreichischen Vertriebsbüro eine Betriebstätte begründet, setzt sich das Bundesministerium für Finanzen (BMF) in einer aktuellen EAS-Auskunft (EAS 3399 vom 8.6.2018) auseinander.

Sachverhalt

Eine deutsche Versicherung unterhält ein Büro in Österreich in welchem (potentielle) Kunden und Makler betreut und serviciert werden. Fraglich ist nun, ob mit diesem Büro (feste Geschäftseinrichtung) eine ertragsteuerliche Betriebsstätte gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Österreich-Deutschland begründet wird, oder ob es sich nur um eine so genannte “Hilfsbetriebsstätte” handelt. Unterhält das deutsche Unternehmen nur eine “Hilfsbetriebsstätte” in Österreich würde dies dazu führen, dass keine ertragsteuerlichen Konsequenzen für das deutsche Unternehmen in Österreich gegeben wären.

Rechtsansicht des BMF

Das BMF stellt fest, dass eine “Hilfsbetriebsstätte” gemäß dem zwischen Österreich und Deutschland abgeschlossenem DBA nur dann besteht, wenn die Tätigkeiten, die im Rahmen der festen Geschäftseinrichtung durchgeführt werden, “vorbereitender Art” oder “Hilfstätigkeiten” iSd Art 5 Abs 4 OECD-MA darstellen. Entsprechen die in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeiten der Haupttätigkeit („core business“) des Gesamt­unternehmens, so kann Art 5 Abs 4 OECD-MA nicht greifen (es kann in diesem Fall also nie eine Hilfsbetriebsstätte sein). Nachdem im österreichischen Büro gemäß dem in der EAS angeführten Sachverhalt Tätigkeiten ausgeübt werden, welche nach Ansicht des BMF Haupttätigkeiten des deutschen Unternehmens darstellen, und über Hilfstätigkeiten hinausgehen, verneint das BMF in der Anfragebeantwortung grundsätzlich das Bestehen einer Hilfsbetriebsstätte (auch wenn es die letztliche Entscheidung – Betriebsstätte oder Hilfsbetriebsstätte – dem Finanzamt überlässt). Somit unterliegt das deutsche Versicherungsunternehmen mit den im Rahmen der Betriebsstätte erzielten Einkünften der Steuerpflicht in Österreich.

EAS 3399 vom 8. 6. 2018 im Wortlaut:

Unterhält eine in Deutschland ansässige Versicherungs­gesellschaft, die am inländischen Markt ihre Versicherungsprodukte vertreibt, in Österreich eine feste örtliche Einrichtung, so begründet sie in Österreich eine Betriebsstätte iSd § 29 BAO, die auch grundsätzlich die Kriterien des DBA-Betriebsstättenbegriffs des Art 5 Abs 1 OECD-MA (vgl VPR 2010, Rz 161 ff) und damit des Art 5 Abs 1 DBA Deutschland erfüllt. Der abkommens­rechtliche Betriebsstättenbegriff ist aber im Vergleich zum innerstaatlichen Begriff ua insoweit enger, als Einrichtungen, die unter Art 5 Abs 4 OECD-MA bzw Art 5 Abs 4 DBA Deutschland fallen, für abkommens­rechtliche Belange keine Betriebsstätten bilden.

Die Tätigkeiten der Versicherungs­gesellschaft im österreichischen Büro umfassen insb folgende Tätigkeiten:

  • Kontakther­stellung zu externen Maklern, Versicherungsagenten und Vertriebsgruppen („unabhängiges Vertriebspersonal“),
  • Betreuung der weit über 1.000 externen Makler, Versicherungsagenten und Vertriebsgruppen,
  • Schulung der externen Makler, Versicherungsagenten und Vertriebsgruppen,
  • Prüfung der Versicherungsanträge auf Vollständigkeit und elektronische Erfassung im System,
  • Vorbereitende Arbeiten für die Buchhaltung, diverse Arbeiten am PC, das Veranlassen von diversen Statistiken und Auswertungen (Kunden und Produktdatenbanken),
  • direkte Kontaktaufnahme mit potentiellen Versicherungskunden zur Verifizierung von Informationen über den Kunden und zur weiteren Nachprüfung bei Feststellung einer negativen Bonität durch einen externen Gläubigerschutzverband.

Die österreichischen externen Vertriebsmitarbeiter werden durch die Mitarbeiter der österreichischen Betriebsstätte über Versicherungsmöglichkeiten informiert, es finden jedoch keine Verhandlungen über das Zustandekommen von Versicherungs­verträgen statt. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass zwischen den externen Vertriebs Seite 316 Seite 316 mitarbeitern und der ausländischen Hauptnied­erlassung kaum oder keine Verhandlungen über Vertragsbedingungen stattfinden, da Versicherungen in der Regel standardisierte Versicherungs­verträge auflegen und lediglich die Prämien­zahlungen einem gewissen Verhandlungsspielraum unterliegen.

Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob diese Tätigkeiten vorbereitender Art sind oder Hilfstätigkeiten iSd Art 5 Abs 4 OECD-MA darstellen, ist die Haupttätigkeit des Gesamt­unternehmens. Entsprechen die in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeiten der Haupttätigkeit ( „core business“) des Gesamt­unternehmens, so kann keine der Ausnahmen des Art 5 Abs 4 OECD-MA greifen. Der Ausnahmekatalog des Art 5 Abs 4 DBA Deutschland wird von beiden Vertragsstaaten so interpretiert, dass alle dort aufgelisteten Tätigkeiten im Allgemeinen von vorbereitender Art sein oder Hilfstätigkeiten darstellen müssen (vgl dazu auch Rz 21 Satz 2 des Kommentars zu Art 5 Abs 4 OECD-MA idF vor dem Update 2017).

Die bloße Beschaffung von Informationen für ein Unternehmen kann als Hilfstätigkeit iSd Art 5 Abs 4 lit d OECD-MA bzw des Art 5 Abs 4 lit d DBA Deutschland gelten. Den Ausführungen im OECD-MK folgend bezieht sich diese Ausnahme in erster Linie auf Informationen, die ein Unternehmen benötigt, um über die Art und den Umfang von Haupttätigkeiten auf einem bestimmten Markt entscheiden zu können (Rz 69 des Kommentars zu Art 5 OECD-MA). Werden die Informationen hingegen durch die Betriebsstätte ausge­wertet und erfolgt, wie im vorliegenden Fall, eine Empfehlung zu einer Ablehnung oder Weiterverarbeitung des Versicherungs­antrags an das Stammhaus, so kann nicht mehr von einer reinen Informationsbeschaffung ausgegangen werden.

Die Betreuung des Vertriebsnetzwerks in Österreich im Wege der Kontaktaufnahme, Betreuung und Schulung des unabhängigen Vertriebspersonals kann nur dann als Hilfstätigkeit iSd Art 5 Abs 4 lit e OECD-MA bzw Art. 5 Abs 4 lit e DBA Deutschland angesehen werden, wenn dieser Tätigkeit keine wesentlichen Funktionen des Produktvertriebs zukommen (vgl Pkt 1.1. des Salzburger Steuerdialogs 2009, Zweifelsfragen zum internationalen Steuer­recht und Außen­steuerrecht, AÖF 2009/260). Wenn das inländische Büro der Koordination der mit der Kundenbetreuung und Neukundenakquisition befassten Vertreter dient, wenn daher eine aktive Rolle bei der Umsatzerzielung (Produktvermarktung in Österreich) übernommen wird, spricht dies für den Bestand einer DBA-Betriebsstätte. Bedient sich die Versicherungs­gesellschaft eines Vertriebskanals durch unabhängiges Personal, so führt die Steuerung dieser Vertretertätigkeit durch ein inländisches Büro zur Begründung einer Betriebsstätte ( EAS 2939). Die Produktvermarktung stellt eine der Kerntätigkeiten einer Versicherungs­gesellschaft dar und kann daher nicht als Hilfstätigkeit qualifiziert werden, insb wenn die im Inland ausgeübte Tätigkeit auf die Umsatzförderung in Österreich gerichtet ist.

Gemäß Art 5 Abs 4 lit f OECD-MA bzw Art 5 Abs 4 lit f DBA Deutschland kann auch dann eine Hilfsbetriebsstätte vorliegen, wenn darin mehrere der aufgezählten Hilfstätigkeiten ausgeübt werden, solange die Gesamttätigkeit ebenso eine Hilfstätigkeit darstellt. Wird neben einer Hilfstätigkeit auch eine nicht mehr von Art 5 Abs 4 OECD-MA erfasste Tätigkeit ausgeübt, so wird hinsichtlich der Gesamttätigkeit eine Betriebsstätte begründet (Rz 77 des Kommentars zu Art 5 OECD-MA).

Eine abschließende Entscheidung hinsichtlich des konkreten Einzelfalls ist der für die Sachverhaltswürdigung zuständigen Behörde vorbehalten und kann nicht im Wege einer auf die Beantwortung von Rechtsfragen ausgerichteten EAS-Auskunft erfolgen.

Jahressteuergesetz 2018 im Nationalrat beschlossen – Update

Update (06.09.2018):

Das Jahressteuergesetz 2018 wurde am 14.8.2018 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist somit in Kraft getreten (BGBl I Nr. 62/2018 vom 14. August 2018).

News vom 10.7.2018:

Das Jahressteuergesetz 2018 wurde nunmehr am 4. Juli 2018 im Nationalrat beschlossen. Das neue Gesetz enthält eine Reihe von steuerlichen Änderungen, unter anderem des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes sowie der Bundesabgabenordnung.

Für den international interessierten Beobachter ergeben sich vor allem bei Körperschaften weitgehende Änderungen. So wird eine Hinzurechnungebesteuerung („controlled foreign corporation rules“ bzw. „CFC rules“) bei ausländischen, niedrig besteuerten Tochtergesellschaften (z.B. Lizenzen, Dividenden) normiert.

Bei der Zahlung von Zinsen und Lizenzgebühren von österreichischen Körperschaften an ausländische Konzerngesellschaften wird das bestehende Abzugsverbot weiter verschärft. Als Maßnahme zur Erhöhung der Rechtssicherheit wird die Möglichkeit der Einholung eines Auskunftsbescheides nach § 118 BAO (“Tax Ruling”) auf internationale Sachverhalte erweitert (lesen Sie hier unsere bereits ergangene Information dazu).

Bei der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Z 6 EStG wird der Zeitraum, in dem die Stillen Reserven nachzuversteuern sind, von 7 Jahre auf 5 Jahre verkürzt (bei Anlagevermögen; bei Umlaufvermögen bleibt es bei 2 Jahre bzw. Raten).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Bestrebungen, steuerliche Änderungen nur mehr in einem Jahressteuergesetz zu normieren, anstatt laufende Änderungen in den einzelnen Gesetzen durchzuführen, nur begrüßt werden kann. Das Jahressteuergesetz 2018 zeigt jedoch deutlich auf, dass die Änderungen für den Praktiker und den Steuerpflichtigen sehr umfangreich sind. Desweiteren wird abzuwarten sein, ob im laufenden Jahr trotz entgegen lautenden Äußerungen des BMF, nicht doch noch weitere Gesetzesänderungen veranlasst werden. Wir halten Sie diesbezüglich jedenfalls auf dem Laufenden.

Neues DBA mit Japan

Das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Österreich und Japan ist seit dem Jahr 1963 in Kraft. Zwischen beiden Staaten wurde nunmehr am 30.1.2017 ein neues DBA abgeschlossen, welches das bestehende DBA ersetzen soll. Das neue DBA soll voraussichtlich ab dem 1.1.2019 anzuwenden sein. Nachfolgend werden einige “Highlights” aus dem neuen DBA dargestellt.

Entsprechend den Vorgaben des neuen OECD-Musterabkommen (OECD-MA) trägt das DBA bereits den neuen Namen “Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung und – umgehung”. Somit soll bereits im Titel des neuen DBA klar gestellt werden, dass nicht nur eine Doppelbesteuerung ein und derselben Einkünfte vermieden werden soll, sondern dass auch eine Nicht- oder Niedrigbesteuerung vermieden werden soll.

Betreffend der Begründung einer Betriebsstätte regelt Artikel 5, dass Bauausführungen und Montagen eine ertragsteuerliche Betriebsstätte begründen, falls deren Dauer 12 Monate überschreitet. Die Begründung einer Dienstleistungsbetriebsstätte ist im DBA nicht vorgesehen. Ansonsten übernimmt Artikel 5 viele Vorgaben des neuen OECD-MA hinsichtlich des Bestands von Hilfsbetriebsstätten und der Vertreterbetriebsstätte.

Bei Dividenden hat der Quellenstaat gemäß Artikel 10 DBA ein Besteuerungsrecht in Höhe von 10 %, es sei denn der Empfänger der Dividende ist eine Gesellschaft mit mindestens 10 %iger Beteilung an der auszahlenden Gesellschaft. In diesem Fall hat ausschließlich der Ansässigkeitsstaat des Nutzungsberechtigten der Dividende das Besteuerungsrecht. Bei Zinsen bleibt es nach Artikel 11 DBA grundsätzlich beim ausschließlichen Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (mit geringen Ausnahmen). Bei Lizenzgebühren hat nach Arikel 12 DBA ebenfalls ausschließlich der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht.

Bei der Entsendung von Mitarbeitern in den anderen Staat bezieht sich die 183-Tage-Regel nach Artikel 14 DBA nunmehr auf einen (beliebigen) 12-Monatszeitraum (bisher Kalenderjahr). Ansonsten ist Artikel 14 DBA, welcher die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit regelt, OECD-MA konform ausgestaltet.

Eine interessante Regelung gibt es bei Einkünften von Aufsichts- und Verwaltungsratsvergütungen. Nach Artikel 15 DBA unterliegen auch “äh nliche Organe” von Gesellschaften immer am Sitzort der Gesellschaft der Steuerpflicht. Dies führt dazu, dass wohl auch Geschäftsführer  am Sitzort der Gesellschaft der Steuerpflicht unterliegen, unabhängig davon, wo die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird (ähnliche Regelung wie in Artikel 16 DBA mit Deutschland).

Eine Doppelbesteuerung wird seitens Österreichs nicht mehr im Wege der Anrechnungsmethode vermieden, sondern es kommt die von Österreich üblicherweise angewandte Befreiungsmethode zur Anwendung (mit Ausnahme der Passiveinkünfte gemäß Artikel 10 und 11 DBA sowie bei Einkünften aus einer “Stillen Gesellschaft” nach Artikel 20 DBA; hier ist nach wie vor die Anrechnungsmethode anzuwenden).

Das BMF hat übrigens in einer mittlerweile ergangenen Auskunft (EAS 3402 des BMF vom 08.06.2018) festgehalten, dass das neue DBA keine Wegzugsbesteueurng auslöst. Die EAS 3402 im Wortlaut:

Ist eine in Japan ansässige natürliche Person zu 100% an einer österreichischen Kapitalgesellschaft (Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Österreich) beteiligt, deren Aktiva zu weniger als 50% aus österreichischem Immobilienbesitz oder Beteiligungen an Gesellschaften mit österreichischem Immobilienbesitz bestehen, so wird durch das Inkrafttreten des neuen DBA Japan keine Wegzugsbesteuerung gemäß § 27 Abs. 3 iVm § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 und § 98 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 ausgelöst.

Gemäß § 98 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 fallen Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen an Kapitalvermögen dann unter die beschränkte Steuerpflicht, wenn der beschränkt Steuerpflichtige an der inländischen Kapitalgesellschaft während der letzten 5 Jahre zu mindestens 1% beteiligt war. Gemäß § 27 Abs. 3 iVm § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 idF AbgÄG 2015 führt der Eintritt von Umständen, welche das Besteuerungsrecht der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten einschränken, zu einer Realisierung der Wertsteigerungen an Kapitalvermögen (Wegzugsbesteuerung). Der Tatbestand des § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 umfasst auch rechtliche Vorgänge, wie den Abschluss eines DBA oder dessen Änderung (siehe dazu auch die ErlRV 896 BlgNR XXV. GP, S. 4 zu § 6 Z 6 lit. b EStG 1988 idF AbgÄG 2015, der ebenso wie § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 auf die “Einschränkung” des Besteuerungsrechts der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten abstellt; EStR 2000 Rz 2518 und 6148a).

Das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalvermögen wird derzeit in Art. XVIII DBA Japan geregelt. Gemäß dieser Bestimmung dürfen Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer in einem der Vertragsstaaten ansässigen Körperschaft auch in diesem Staat besteuert werden, wenn die Kapitalbeteiligung mindestens 25% beträgt und davon mindestens 5% veräußert werden. Gemäß Art. XVIII Abs. 2 lit. b DBA Japan hat Österreich somit ein Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung an der österreichischen Kapitalgesellschaft. Japan hat in diesem Fall die in Österreich erhobene Steuer gemäß Art. XIX Abs. 1 DBA Japan anzurechnen.

Das am 30.1.2017 unterzeichnete, aber im Zeitpunkt des Ergehens dieser Erledigung noch nicht in Kraft getretene neue DBA Japan (vgl. 6 der Beilagen XXVI. GP) ist eng an das aktuelle OECD-Musterabkommen angelehnt, sodass die Gewinne aus der Veräußerung einer Kapitalbeteiligung, deren Wert nicht überwiegend auf unbeweglichem Vermögen, das im anderen Vertragsstaat liegt, beruht, unter die Auffangklausel des Artikels betreffend die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen fallen und nur vom Ansässigkeitsstaat des Veräußerers besteuert werden dürfen. Nach Wirksamwerden des neuen DBA Japan werden die Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung an der österreichischen Kapitalgesellschaft gemäß Art. 13 Abs. 5 des neuen DBA daher nur in Japan steuerbar sein.

Der Neuabschluss des DBA Japan führt jedoch nach österreichischer Auffassung nicht zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechts der Republik Österreich an den bis zu dessen Wirksamkeitsbeginn entstandenen stillen Reserven an der Beteiligung und damit auch zu keiner Auslösung der Wegzugsbesteuerung. Da seit der Revision des OECD-Musterkommentars im Jahr 2014 in einer neu eingeführten Rz. 3.1 zu Art. 13 OECD-MA die Auffassung vertreten wird, dass im Falle eines Neuabschlusses eines DBA dem Ansässigkeitsstaat das uneingeschränkte Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen aus Anteilsveräußerungen zugesprochen wird, hat Österreich gemeinsam mit Deutschland gegen diese neu eingefügte Rz. des Kommentars eine Bemerkung (“observation”) eingebracht. Der Staat, dem durch den Neuabschluss eines DBA das Besteuerungsrecht entzogen wird, soll der Bemerkung zufolge nicht daran gehindert sein, den bis zum Wirksamkeitsbeginn des neuen DBA entstandenen Wertzuwachs zu besteuern (siehe Rz 32.1 OECD-MK zu Art. 13 OECD-MA; Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes, Internationales Steuerrecht, I/1 – 37. Lfg, Z 13, Rz 108; siehe auch EStR 2000 Rz 2518). Dadurch ist sichergestellt, dass Österreich weiterhin an den bis zum Wirksamwerden des neuen DBA angefallenen stillen Reserven besteuerungsberechtigt bleibt und somit insoweit keine Einschränkung des österreichischen Besteuerungsanspruches eintritt. Dieses Verständnis über die Anwendung des Art. 13 OECD-MA, auf welchem Art. 13 des neuen DBA Japan beruht, diente somit auch als Grundlage für die Verhandlung und den Abschluss des neuen DBA Japan. Art. 13 Abs. 5 des neuen DBA Japan ist daher nach österreichischer Auffassung nur auf die nach seinem Wirksamkeitsbeginn entstandenen stillen Reserven anwendbar. Die vorher akkumulierten stillen Reserven bleiben von der Bestimmung unberührt und somit weiterhin uneingeschränkt in Österreich steuerbar und beispielweise im Fall der späteren Veräußerung der Beteiligung gemäß § 27 Abs. 3 iVm § 98 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 beschränkt steuerpflichtig. Zweckmäßigerweise wären daher zum Zeitpunkt des Wirksamkeitsbeginns des DBA Japan der gemeine Wert der Anteile an der österreichischen GmbH zu ermitteln und seitens des Steuerpflichtigen entsprechende Bewertungsunterlagen in Evidenz zu nehmen sein.

Bundesministerium für Finanzen, 8. Juni 2018